- Start
- » Nachrichten
- » Schinderbrücke – Auswertung der Unterschriftensammlung und weitere Verfahrensweise
Schinderbrücke – Auswertung der Unterschriftensammlung und weitere Verfahrensweise
Wusterhausen/Dosse, den 06.05.2022Beschädigungen und Destruktionsfäule haben der „Hohen Brücke" - sogenannte Schinderbrücke - im Laufe der Jahre stark zugesetzt. Die Brücke weist für den Verkehr keinerlei Tragfähigkeit mehr auf. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten musste die Brücke durch das Amt Neustadt (Dosse) als zuständigen Straßenbaulastträger im September 2021 gesperrt werden.
Nachdem sich die Gemeindevertreter der Gemeinde Wusterhausen/Dosse im Jahr 2021 deutlich gegen die Eigentumsübertragung der baufälligen Hohen Brücke vom Amt Neustadt (Dosse) auf die Gemeinde Wusterhausen/Dosse ausgesprochen haben, führte der Wusterhausener Kulturverein in Zusammenarbeit mit engagierten Bürger*innen eine Unterschriftenaktion durch.
Befürworter und potentielle Spender konnten für den Erhalt der Brücke unterschreiben. Die Unterschriftslisten übergab Herr Roland Tille als Vorsitzender des Kulturvereins an Wusterhausens Bürgermeister Philipp Schulz am 04.05.2022.
Anwesend bei diesem Termin waren auch Herr André Stimm, ehrenamtlicher Bürgermeister Stadt Neustadt (Dosse), Herr Wolfgang Burau, Bauamtsleiter des Amtes Neustadt (Dosse) sowie Frau Petra Buschke, Ortsvorsteherin der Stadt Wusterhausen/Dosse, Frau Marianne Golde und Herr Ronny Hein, Amtsleiter für Gemeindeentwicklung und Bauen bei der Gemeinde Wusterhausen/Dosse.
Die Auswertung der Unterschriftslisten ergab folgendes Bild:
335 Personen haben auf den Listen für den Brückenerhalt unterschrieben.
Fast ein Drittel der Unterzeichner - nämlich 99 Personen - gaben nicht ihre vollständige Adresse an.
Diese können daher keiner Gebietskörperschaft zugerechnet werden.
207 Personen haben ihren Wohnsitz in der Gemeinde Wusterhausen/Dosse, 21 Personen sind dem Neustädter Amtsgebiet zuzuordnen und 4 Personen haben ihren Wohnsitz in der Stadt Kyritz.
4 Personen wohnen außerhalb der Kleeblattregion.
98 Personen gaben zusätzlich an, eine Spende leisten zu wollen in unbestimmter Höhe.
Bezogen auf die Gemeinde Wusterhausen/Dosse sind es 3,57 % der Einwohner*innen, die einen Erhalt der Brücke befürworten. Oder mit anderen Worten: über 96 % der Gemeindeeinwohner*innen interessieren sich für dieses Brückenbauwerk nicht.
Selbst wenn man die 99 nicht zuordenbaren Unterschriften der Gemeinde Wusterhausen/Dosse zurechnen würde, wären es 306 Unterschriften, was 5,28 % der Gemeindeeinwohner*innen entspricht. Das ist ein eindeutiges Votum.
Die Unterschriftenaktion führte noch einmal mehr dazu, dass Bürger*innen beteiligt wurden und sich Kommunalpolitik und Verwaltung intensiv mit der Thematik befassten und während des Zeitraumes der Unterschriftenabgabe alle denkbaren Szenarien für Erhalt oder Wiederaufbau der Brücke geprüft worden seien, so Bürgermeister Schulz.
Die Schinderbrücke hatte vor vielen Jahrzehnten, als Theophil Dombrowski sie malte, für die anliegenden Bauern eine Funktion und zwar um in die Wiesen zu gelangen.
Die heutige Landwirtschaft benötigt diese Brücke - auch wenn sie wieder befahrbar wäre- nicht mehr, wie es von den betreffenden Landwirtschaftsbetrieben bestätigt wurde.
Von der Befahrbarkeit eines Brückenneubaus war allerdings im gesamten Prozess auch nie die Rede. Viel mehr bestand der Wunsch aus der Bürgerschaft nach einer Brücke für Fußgänger und Radfahrer, um die Dimensionen der Brücke geringer zu halten und auch Kosten zu sparen.
In einer im März 2022 stattgefundenen Beratung mit der Unteren Wasserbehörde des Landkreises Ostprignitz-Ruppin, die Frau Barbara Linke als Vorsitzende des Wusterhausener Bau- und Ordnungsausschusses einberief, wurde dargestellt, dass es für die vorhandene Brücke keine gültige Wasserrechtliche Genehmigung gibt. Beim Erlöschen einer derartigen Genehmigung ist der Anlagenbetrieb einzustellen und der bisherige Genehmigungsinhaber hat die Anlage auf seine Kosten zu beseitigen und den früheren Zustand wiederherzustellen.
Die Untere Wasserbehörde erteilt auf Antrag hin eine Wasserrechtliche Genehmigung für den Bau der Brücke. Dabei hat sich die Behörde an die Festsetzungen aus § 87 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) in Verbindung mit den §§ 36 und 78 (wegen rechtskräftig ausgewiesenem Überschwemmungsgebiet) des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes zu halten.
Von der Behörde sind dabei eine Reihe von Voraussetzungen zu prüfen:
- Überschwemmungsgebiet (wie beeinflusst das Bauwerk im Hochwasserfall den Wasserabfluss)
- Natur- und Landschaftsschutzrecht ist zu beachten - Untersuchungsbericht Ökologie wegen dem FFH-Gebiet (z. B. Lebensraum von Muscheln, Tieren)
- Belange des Gewässereigentümers (hier Land Brandenburg)
- Wegeverhältnisse und -verbindungen
- statisches Gutachten
Dem Antrag beizufügen sind statische Berechnungen, denn bei öffentlicher Zugänglichkeit der Brücke gelten die für öffentliche Bauten gängigen Sicherheitsregeln. Zusätzlich werden folgende Unterlage gefordert:
- Lageplan
- Baubezeichnungen
- Gründung / Baugrund
- technische Ausführung
Der jetzige Standort der Hohen Brücke liegt in dem am 08.04.2019 ausgewiesenen Hochwasserüberschwemmungsgebiet, sodass laut § 78 Abs. 4 Wasserhaushaltsgesetz zusätzlich eine Ausnahmegenehmigung notwendig wird. Grundsätzlich sind Bauten im Hochwasserüberschwemmungsgebiet ausgeschlossen. Ausnahmen sind aber zugelassen, wenn durch das Brückenbauwerk keine Behinderung des Hochwasserabflusses entsteht. Sollte eine Behinderung entstehen, sind dafür zusätzliche Hochwasserausbreitungsgebiete zu bestimmen, um den Rückstau an der Brücke auszugleichen.
Das Landesumweltamt prüft zurzeit den Rückbau oder die Schlitzung des vorhandenen Deiches, um ein größeres Überschwemmungsgebiet nicht nur im extremen Hochwasserfall bereitzuhalten.
Das Gebiet um die jetzige Schinderbrücke ist ein Natura 2000-Gebiet. Bei einer Antragstellung auf Wasserrechtliche Genehmigung ist zu erwarten, dass diese die Zustimmung der Unteren Naturschutzbehörde bedarf. In der Regel werden für Fauna-Flora-Habitat-Gebiete entsprechende Umweltverträglichkeitsuntersuchungen gefordert.
Um eine erforderliche Wasserrechtliche Genehmigung sowie eine Ausnahmegenehmigung für ein Ersatzbauwerk zu bekommen, müssen neben einer professionellen Brückenplanung auch umfassende Gutachten und Simulationen von Fachplanern vorgelegt werden. Die Erstellung dieser Unterlagen verschlingt möglicherweise mehr Geld als gespendet werden würde. Bei der Beantragung von etwaigen Fördermitteln für den Neubau einer Brücke sind jedoch die entsprechenden Genehmigungen unverzichtbare Antragsbestandteile. Ohne die Genehmigungen besteht keine Aussicht auf eine Förderung. Die Aussichten auf entsprechende Genehmigungen sind jedoch auch recht beschaulich.
Um dieser Brücke einen Sinn zu geben, müssten zudem Wege angelegt und vorher Eigentumsverhältnisse zu Gunsten der Kommunen geklärt werden.
Das Begehen des unbefestigten Deiches insbesondere mit Hunden wirkt sich nicht förderlich auf den Zustand des Deiches aus, da die Oberfläche beschädigt wird, wenn die Hunde dort buddeln. In der Vergangenheit wurden immer wieder Beschädigungen festgestellt, die Rückschlüsse auf Hunde, Pferde, Motorrad- und Quadfahrer zuließen.
Das festgesetzte Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Dosse" repräsentiert typische, besondere und seltene Lebensräume und Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten Europas. Die Auswahl solcher Gebiete erfolgte auf Grundlage der EU-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie).
Ziele der EU-Richtlinie sind die Bewahrung und die Entwicklung der biologischen Vielfalt in Europa. Dabei wird ein günstiger Erhaltungszustand der in der Richtlinie genannten Lebensraumtypen und Arten angestrebt.
Beispielweise finden dort auch brütende Enten Schutz und sollten nicht von Hunden oder motorbetriebenen Fahrzeugen gestört werden. Der Umwelt- und Naturschutz sollte an dieser Stelle den zugesprochenen Raum auch tatsächlich erhalten. Das ist zu respektieren. Es gibt andere Möglichkeiten, um mit dem Hund Gassi zu gehen. Auch für Angler gebe es reichlich andere Standorte.
Die Gemeinde Wusterhausen/Dosse hat wesentlich wichtigere Projekte (Kita-Sanierung, Neubau Feuerwehrgerätehaus, Umbau und Sanierung Bildungscampus, ÖPNV-Verknüpfungspunkt, Straßenbau usw.) zu bewältigen, als den Ersatzneubau einer Brücke, die aktuell ins Nichts führt.
Um selbst im Ranking unter den Brücken der Gemeinde, nimmt die „Hohe Brücke" wahrscheinlich den letzten Platz ein.
Die möglichen Kosten für Planung, Gutachten, Brücken- und Wegebau sowie die anschließenden Folgekosten für die Brückenprüfung und -instandhaltung stehen in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen der Brücke.
Mit dem Rückbau der Brücke ist auch eine Wiederherstellung der Böschung verbunden, was kürzlich durch das Landesamt für Umwelt noch einmal bekräftigt wurde. Somit sind auch die Widerlager zu entfernen.
André Stimm machte deutlich, dass der Fokus der Stadt Neustadt (Dosse) auf anderen Projekten liegt und nicht auf der Hohen Brücke. Wolfgang Burau stellte unmissverständlich dar, dass aufgrund der Vielzahl von Brücken im Neustädter Amtsgebiet eine klare Prioritätensetzung bei der Brückeninstandhaltung erforderlich ist.
Marianne Golde und Roland Tille plädierten weiterhin für den Erhalt der Brücke, um Historisches zu bewahren und den Tourismus zu fördern. Petra Buschke sah für den Brückenneubau nur eine Chance, wenn es gelänge das große Gesamtpaket bestehend aus Finanzierung, Planung, Gutachten, Genehmigung, Eigentumserklärung und Instandsetzung zusammenzubinden. Dass ein solches Vorhaben ehrenamtlich gelingen würde, sah jedoch weder sie noch die anderen Gesprächsteilnehmer als realistisch an.
Nach Abschluss der Unterschriftensammlung sowie unter Wertung und Wichtung aller Umstände beabsichtigt Bürgermeister Philipp Schulz für die Fachausschüsse und für die Gemeindevertreterversammlung von Wusterhausen/Dosse eine Beschlussvorlage einzubringen, in der dokumentiert ist, dass die Gemeindevertretung einen Brückenrückbau durch das Amt Neustadt (Dosse) befürwortet. Ein Ersatzneubau der Brücke kann durch die Gemeinde Wusterhausen/Dosse nicht in Aussicht gestellt werden.
Der nächste Sitzungsturnus der Wusterhausener Gremien beginnt mit dem Kultur- und Sozialausschuss am 17.05.2022 und endet mit der Gemeindevertreterversammlung am 28.06.2022.