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Ehrenamtliche für das Jugendschöffen-Amt gesucht
24.04.2023Ein aktiver Jugendschöffe berichtet von seinen Erfahrungen
Im ersten Halbjahr 2023 werden bundesweit – so auch für das Amtsgericht und Landgericht in Neuruppin - Schöff:innen und Jugendschöff:innen gesucht und für die Amtszeit von 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2028 gewählt. Für die Wahl der Jugendschöff:innen beim Amts- und Landgericht Neuruppin sucht der Landkreis Ostprignitz-Ruppin noch Bewerber:innen, denn insgesamt muss das Amt für Familien und Jugend eine paritätisch besetzte Vorschlagsliste mit 256 Personen (128 Frauen und 128 Männer) aufstellen. Das sind doppelt so viele Personen, wie letztlich vom Wahlausschuss/Jugendhilfeausschuss zu Jugendschöff:innen beziehungsweise deren Vertreter:innen (Jugendhilfsschöff:innen/Ersatzschöff:innen) gewählt werden: nämlich 128 Personen (64 Frauen und 64 Männer).
"Es wäre gelogen wenn ich sage, dass ich mich 2018 gezielt als Jugendschöffe für die aktuelle Wahlperiode beworben habe", berichtet Marcus Malzahn ehrlich, der bei der Kreisverwaltung OPR im Bereich Soziales tätig ist, von seinem Start als Jugendschöffe. "Vielmehr bin ich durch den Rat einer guten Kollegin auf das interessante Themenfeld eines ehrenamtlichen Richters aufmerksam gemacht worden. Schon bei dem Gedanken, dass ich auf gleicher Höhe mit einem hauptamtlichen Richter oder einer hauptamtlichen Richterin sitze, gab mir den notwendigen Antrieb, mich für das Amt zu bewerben. Insbesondere weil ich großes Interesse an der Rechtsprechung durch die deutschen Gerichte habe, die ein Teil der staatlichen Gewaltenteilung sind, bin ich froh mich für dieses Ehrenamt entschieden zu haben." Marcus Malzahn ist in der laufenden Amtsperiode (2019 bis 2023) als Jugendersatzschöffe tätig. "Als gewählter Ersatzschöffe bin ich die Vertretung des eigentlichen Schöffen, wenn dieser aus privaten oder beruflichen Gründen den Termin bei Gericht nicht wahrnehmen kann." Rund zwölf Sitzungstage sind laut Gesetz pro Jahr vorgesehen, die den Hauptschöff:innen zu Jahresbeginn mitgeteilt werden. Jedoch kann es auch vorkommen, dass es deutlich weniger Verhandlungen gibt oder Jugendschöff:innen in einem Jahr auch mal gar nicht zum Einsatz kommen. Marcus Malzahn verrät, dass er auch für die neue Wahlperiode 2024 bis 2028 sein Bewerbungsformular für das Jugendschöffenamt eingereicht hat.
Aber welche Aufgaben haben überhaupt Jugendschöff:innen? Sie nehmen gemeinsam mit den Berufsrichter:innen an den Gerichtsverhandlungen - hier in Neuruppin - teil. Sie sind mit den Richter:innen gleichberechtigt und wirken auch in gleichem Umfang und mit gleicher Stimme wie die Berufsrichter:innen an den Verhandlungen mit. Für jedes Urteil bei Gerichtsverhandlungen, an denen Schöff:innen beteiligt sind, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, so dass gegen die Stimmen der beiden Schöff:innen kein:e Angeklagte:r verurteilt werden kann. Daher sollten sich angehende Schöff:innen ihrer Verantwortung gegenüber den Angeklagten, aber auch gegenüber den Geschädigten sowie gegenüber der Öffentlichkeit bewusst sein. Die Tragweite dieses Ehrenamtes wurde auch Marcus Malzahn erst am ersten Verhandlungstag bewusst, berichtet er: "Tatsache ist, dass nach unserer Vereidigung als Schöffe vor Gericht meine Stimme und die der anderen Schöffin – es sind in den Verhandlungen immer ein weiblicher und ein männlicher Schöffe vertreten - maßgeblichen Einfluss auf das Urteil des Gerichts nehmen können. Denn alle drei Stimmen haben die gleiche Gewichtung", erklärt Malzahn. "Außerdem kann ein Schöffe auch Fragen im Rahmen der Verhandlung an Zeugen oder an die Personen auf der Anklagebank richten, um sich ein besseres Bild zur Gesamtsituation in der Strafsache zu machen. Kurz gesagt, Schöffen können mit ihrer Stimme einen maßgeblichen Einfluss auf den weiteren Lebenslauf einer jugendlichen Person oder eines jungen Erwachsenen nehmen und sind dabei wie ein hauptamtlicher Richter an Recht und Gesetz gebunden."
Doch wer kann überhaupt Jugendschöffe/in werden? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden? Und welche Fähigkeiten sollten Interessierte mitbringen?
Deutschlandweit gibt es rund 60.000 Schöff:innen, die an 753 Strafgerichten (638 Amts- und 115 Landgerichte) eingesetzt werden. Beim Schöffenamt handelt es sich um ein Ehrenamt, für das Jugendschöff:innen von der Arbeit freigestellt werden. Für die Teilnahme an den Sitzungen erhalten die ehrenamtlichen Richter:innen zwar kein Entgelt, aber sie bekommen entsprechend des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) Entschädigungen für Nachteile, die ihnen durch ihre Tätigkeit entstanden sind, wie beispielsweise einen Verdienstausfall oder einen Fahrkostenzuschuss.
Die formalen Kriterien, um sich für das Amt eines/einer Jugendschöff:in zu bewerben, sind überschaubar: Die Bewerber:innen müssen zum Beginn der Amtsperiode, also am 1. Januar 2024, mindestens 25 Jahre alt, dürfen aber an diesem Tag noch nicht 70 Jahre alt sein. Außerdem müssen die Bewerber:innen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, deutsch sprechen und straffrei sein. Hauptamtlich in oder für die Justiz Tätige (Richter:innen, Rechtsanwält:innen, Polizeivollzugsbeamt:innen, Bewährungshelfer:innen, Strafvollzugsbedienstete usw.) und Religionsdiener sollen hingegen nicht zu Schöff:innen gewählt werden.
Erwünscht sind für das Amt eines/einer Jugendschöff:in zudem erzieherische Erfahrungen mit Heranwachsenden. Nicht benötigt wird jedoch eine juristische Vor- oder Ausbildung. Allgemein sollten Schöff:innen zudem vorurteilsfrei, verantwortungsbewusst, meinungsstark und überzeugungsfähig sein. Diese Anforderungen bestätigt auch Marcus Malzahn: "Man muss beispielsweise nicht das Jugendstrafrecht oder deren Anwendung kennen, es wird von den Schöffen vielmehr ein gewisses Maß an Lebenserfahrung, Bauchgefühl und Menschenverstand erwartet, um eben auch aus einer menschlichen Perspektive eine Strafsache betrachten und bewerten zu können", berichtet er aus eigener Erfahrung. "Bei der abschließenden Beratung zur Urteilsverkündung mit dem Richter bzw. der Richterin sollen dann die juristische Perspektiven und die bürgerliche Perspektive von uns Schöffen zusammenfließen. Häufig sind die Meinungen der Richter und Schöffen identisch, aber es gibt eben auch Ausnahmen."
Marcus Malzahn wirbt dafür, sich für das Jugendschöffenamt zu bewerben: "Ich kann es nur jedem Menschen empfehlen, sich für dieses Ehrenamt zu bewerben, besonders wenn man schon immer mal hinter die Kulissen eines Gerichtssaals von Amts- oder Landgericht schauen und dort aktiv mitwirken wollte. Sicherlich ist die Ausübung dieses Ehrenamts nach der Ernennung verpflichtend, aber es lohnt sich!" Ihm ist es wichtig, dass auch zukünfitg angeklagte Jugendliche oder junge Erwachsene von Menschen angehört werden, die eben nicht nur die gesetzlichen Regelungen vertreten, sondern auch den Faktor Mensch berücksichtigen.
Bewerbungen für das Jugendschöffenamt sind möglichst bis Montag, 10. April 2023, an das Amt für Familien und Jugend des Landkreises Ostprignitz-Ruppin entweder schriftlich (Landkreis OPR, Amt für Familien und Soziales, Heinrich-Rau-Straße 27 bis 30 in 16816 Neuruppin) oder per E-Mail an zu richten. Bei Fragen können sich interessierte Bürger:innen bei der Kreisverwaltung unter 03391/688 5101 oder 03391/688 5153 melden.
Weitere Informationen zur Schöffenwahl finden Sie hier: www.schoeffenwahl2023.de