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Was aufgeschrieben ist, wird nicht vergessen - Szenische Lesung im „Alten Laden“ des Herbst’schen Hauses

Wusterhausen, den 28.06.2011

„Als ich gegen 18 Uhr heute auf dem Wusterhausener Marktplatz eintraf, war es noch herrlich warm und der Markt mit seinen restaurierten Fachwerkhäusern wunderschön anzusehen, aber menschenleer“, so etwa begann Ulrike Poppe, die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, ihre kurze Einführungsrede. Zur szenischen Lesung „Die unsichtbare Mauer am Straßenrand“ am 27. Juni 2011 konnte die Museumsleiterin, Andrea Perlt, neben Ulrike Poppe auch den Schriftsteller Martin Ahrends, den Bürgermeister Roman Blank, die bei der Lesung mitwirkenden Zeitzeugen und ca. 65 weitere Gäste begrüßen.

 

Der Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin war nur über festgelegte Transitstrecken möglich. Dazu zählte die F5 zwischen Hamburg und West-Berlin. Für die inhaltliche Gestaltung des Wegemuseums bot es sich an, dieses Thema näher zu beleuchten und Menschen nach ihren Erlebnissen zu befragen. Der in Berlin lebende Autor Martin Ahrends interviewte in den Jahren 2009 und 2010 Menschen aus Wusterhausen und der näheren Umgebung. Zu den Befragten gehörten natürlich auch ehemalige Wusterhausener, die viel zu erzählen hatten. Dabei sind Geschichten entstanden, die über Unfälle und Kontrollen im Transitverkehr sowie nicht erwünschte und doch stattgefundene deutsch-deutsche Begegnungen berichten. Die Zeitzeugen schilderten spannende und auch sehr berührende Schicksale.

 

Einer von ihnen, Karlheinz Schafhausen, bis 1949 bei seiner Großmutter und seiner Tante in Wusterhausen aufgewachsen, danach in West-Berlin lebend, berichtete über das riskante Unternehmen, seine schwerkranke Tante bei Nacht und Nebel im September 1959 zu besuchen. „Ich habe keinem Menschen erzählt, was ich vorhatte. Dann bin ich nachts los von Berlin auf die Transitstrecke nach Hamburg. Gegen zwölf war ich Nähe der Bahnhofstraße von Wusterhausen, habe das Licht ausgemacht und bin – husch – reingefahren, ganz vorsichtig, ohne Licht im zweiter Gang. Meine Tante hat sich riesig gefreut. Nach einer Stunde bin ich nach Hamburg gefahren, habe da etwas gegessen und bin dann nachts noch wieder zurück über Wusterhausen - diesmal ohne Zwischenstopp - mit wehmütigen Erinnerungen. Es ging alles gut, war aber ein Risiko.“ Kurz danach verstarb seine Tante und zur Beisetzung bekam er keine Einreisegenehmigung.

 

Bei der szenischen Lesung wirkte weiterhin Eckhard Zempel aus Gumtow mit, der als kleiner Junge den Transitverkehr hautnah miterlebte. Ziemlich häufig kam es vor, dass LKWs, beladen mit Kaffee, Spirituosen, Bananen und anderem am Hang in der Kurve ins Schleudern kamen, umkippten und die Waren auf der Straße und in Gärten verstreut herumlagen. Die Leute sammelten auf und deckten sich mit dem ein, was noch brauchbar war, bevor die Polizei eintraf. Auch viel Kurioses konnte er berichten: von leeren Flaschen, die in Bäumen aufgehängt wurden und einem LKW, der in der Schmiede des Vaters repariert wurde und durch die instand gesetzte Hydraulik nicht mehr durch das Tor passte.

 

Christa Eggert, ehemalige Leiterin der Transitraststätte Gumtow, ließ ebenfalls ihre Erinnerungen Revue passieren. Es herrschten in den Raststätten strenge Sicherheitsbestimmungen. „Die Beschäftigten bekamen manchmal auch eine Tafel Schokolade oder anderes geschenkt, das musste alles abgegeben werden“, erinnert sie sich. Der Leiter des jetzigen DDR-Museums aus Perleberg, Peter Freimark, brachte Geschichten seines Freundes zu Gehör. Diese Erinnerungen und andere Berichte über den Transitverkehr werden im Wegemuseum auszugsweise zum Lesen und Hören bereitstehen. Bei der anschließenden Diskussion berichteten Besucher über ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse, die natürlich auch aufgeschrieben und dem Wegemuseum übergeben werden können. Es ist denkbar, dass in einem weiteren Projekt aus den gesammelten Erlebnisberichten ein Buch entsteht, sodass für spätere Generationen dieses Stück deutsch-deutscher Geschichte in repräsentativer Form vorliegt. „Alles, was aufgeschrieben wird, kann nicht vergessen werden“, darüber waren sich viele Besucher einig, die sich später in kleinen Gruppen noch unterhielten. Eine derartige Resonanz für weitere Veranstaltungen im Herbst´schen Haus wünschen sich die Initiatoren und Mitwirkenden dieses gelungenen Abends.

 

Marianne Golde

 

Foto: Chr. Schael

 

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Szenische Lesung (28.06.2011)

Fotos: Chr. Schael, A. Golde