Goldener Rahmen mit Sprung im Glas
Wolfgang Hörmann beleuchtete im Literatur-Café das zerrissene Leben des weltbekannten Autoren Hans Fallada
Für Literaturfreunde ist der Alte Laden des Herbst`schen Hauses inzwischen eine feste Adresse geworden. Auch beim ersten Treff dieses Jahres waren im Literatur-Café wieder alle Tische besetzt. Sich vorher anzumelden sei ratsam, so Bibliotheksleiterin Kerstin Jonas.
Mit einem Vortrag über das Leben des Schriftstellers Hans Fallada eröffnete am vergangenen Mittwoch Wolfgang Hörmann den Reigen der diesjährigen Lesungen. Der ehemalige Kyritzer Redaktionsleiter der MAZ ist seit 18 Jahren Mitglied der Hans-Fallada-Gesellschaft, beschäftigt sich intensiv mit dem Werk und dem Leben des grandiosen Erzählers, der eigentlich Rudolf Ditzen hieß.
Dessen Persönlichkeit war sehr widersprüchlich. Das stellte Hörmann auch gleich zu Beginn seines Vortrages symbolhaft dar. So zeigte er ein Bild des Schriftstellers im beschädigten Rahmen, weswegen er es eigentlich wegwerfen wollte. Doch dann sei ihm bewusst geworden, dass genau der goldene Rahmen des Bildes, mit Sprung im Glas, das zerrissene Leben von Fallada symbolisiere. Der hielt sein Leben oft selbst kaum aus, denn es war gezeichnet von einem ausgeprägten Suchtverhalten, Aufenthalten in Gefängnissen, in psychiatrischen Kliniken und Heilstätten für Nerven- und Gemütskranke. Schon mit 18 Jahren hatte er eine Veranlagung zur Schwermütigkeit.
Den pessimistischen Phasen folgten die manischen. Es waren die sehr schreibintensiven Zeiten. So verfasste Fallada, zum Beispiel „Jeder stirbt für sich allein“, die 700 Seiten starke Geschichte über den Nazi-Widerstand eines Berliner Ehepaares, in der Rekordzeit von nur vier Wochen. Die Zuhörer erfuhren vom Vortragenden weitere interessante Details aus dem widersprüchlichen Leben des Autors, so zum Beispiel, dass Fallada bewusst lernte, „wie die kleinen Leute ticken“. Dessen Schicksale waren bekanntermaßen die Themen vieler seiner Werke. Im Buch „Kleiner Mann - was nun?“, ist als Suse seine erste Frau Anna Margarete geborene Issel verewigt. Der weltbekannte Roman wurde in 14 Sprachen übersetzt und sofort verfilmt. Auch dass Fallada in Gefängniszeiten ein mustergültiger Häftling gewesen sei - und Mitgefangene bespitzelte, war zu erfahren. Hörmann zitierte Fallada: „Ich muss so leben. Stärkere mögen Helden sein. Ich habe nur das Talent zu einem kleinen Feigling.“ Auch in der Nazizeit hätte der Autor nicht zum Widerständler getaugt, sondern sich lieber in die innere Emigration zurück gezogen. Doch unpolitische Bücher zu schreiben, so wie Fallada es plante, das funktioniert nicht, bemerkte Hörmann. Die Zeit, in der der Autor als Lokalredakteur und Anzeigenwerber arbeitete, findet sich in dem Buch „Bauern, Bonzen und Bomben“ wieder. Vergessen sollte man auch nicht die vielen zauberhaften Geschichten für Kinder. Wer erinnert sich nicht gern an Hoppelpoppel, die Geschichten aus der Murkelei oder Fridolin, den frechen Dachs. Hans Fallada, der 1947 starb, hat ein bemerkenswertes Werk hinterlassen. Und das zählt, nicht, dass bei ihm Genie und Wahnsinn eng beieinander lagen. Sich mit seinen Büchern intensiver zu beschäftigen, vielleicht das Hans-Fallada-Museum in Carwitz zu besuchen, dazu hat der Vortrag von Wolfgang Hörmann angeregt. Er las zum Schluss die Geschichte „Das Groß-Stankmal“ vor. Beschrieben wird hier das Parteiengezänk in einer deutschen Kleinstadt. Die Zuhörer konnten feststellen: Falladas Werk hat nichts an Aktualität eingebüßt.
Renate Zunke